Das Dufour-Schulhaus / L' école Dufour 1893
Eduard Amsler (1882-1937), Gerichtspräsident, Altstadtleist-Präsident von 1915 bis 1937
Schüler am Progymnasium von 1893 bis 1898
Eduard Amsler kam am 16. August 1882 als Sohn des Bäckers und Gastwirt Johann Friedrich Hans (1854–1907) und der Langnauerin Lucile Gilomen in Corgémont zur Welt. Als die Wirtschaft und die Bäckerei 1891 abbrannten, zog die Familie nach Biel und wirteten ab diesem Jahr im «Restaurant Amsler» (heute Bielstube), wo Eduard aufwuchs. Von 1893 bis 1898 besuchte er das fünfklassige Progymnasium in Biel, das damals noch kein Obergymnasium kannte. Deshalb musste er in Bern das Gymnasium besuchen. Er studierte Jura und legte 1906 das praktische Fürsprecherexamen ab. Als Anwalt erweiterte er seine praktischen Tätigkeiten in der Kanzlei Moll in Biel und später als Hilfsgerichtsschreiber am bernischen Obergericht. 1907 trat er infolge seiner Wahl zum Untersuchungsrichter von Biel zurück. Dieses Amt übte er von 1909 bis 1911 aus. Ab 1911 war er 2. Gerichtspräsident und Mitglied der Vormundschaftsbehörde. Der Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Gerichtspräsident bestand darin, dass der erste Zivilrichter und der zweite (Amsler) Polizeirichter war. 1920 eröffnete er sein eigenes Anwaltsbüro. Politisch stand er auf der Seite der Freisinnigen. Er wohnte an der Rosiusgasse 18. In seinem Haus befand sich das Arbeits- und Durchgangsbüro der städtischen Armen- und Vormundschaftsdirektion.
Die ersten Leiste der Stadt Biel
Bereits im 19. Jahrhundert hatte sich in Biel zur Wahrung gemeinsamer Interessen sogenannte «Leiste» gebildet. Die NZZ vom 26. 2. 1859 erwähnt den Industriellen Leist (der 1872 der Uhrmacherschule 600 Franken spendete) und die Ältere Leistgesellschaft, die für Biel von Bedeutung waren. Anfang 20. Jahrhundert kamen hinzu: Neu-Quartierleist (1880) [22], Zentralstrasse-Leist (1908), Rebberg-Quartierleist (1912) [23], Vingelz-Leist (beschäftigte sich 1915 durch die drohende Petrolnot mit der Einführung des elektrischen Lichts), Bahnhof-Quartierleist (1912) und der aus dem Cercle du Quartier de la route de Boujean mit dem Cercle de la rue Dufour hervorgegangene Ost-Quartierleist (1913) [24]. Hinzu kam 1915 der Altstadtleist.
1. Präsident vom Altstadtleist
Eduard Amsler, 1915: «Die Tatsache, dass die Altstadt in den letzten Jahren keine Fortschritte gemacht hatte und dass ihr der Verkehr grundlos entzogen wurde, erforderte dringend einen
Zusammenschluss der Altstadtbewohner zur Wahrung ihrer gefährdeten wirtschaftlichen Interessen. Auch andere Stadtteile hatten dies erkannt und uns das Beispiel gegeben, dass man nur gemeinsam
etwas zu erreichen kann. Das Ostquartier erhielt durch den energischen Einsatz seines Leists eine Post und eine Kanalisation erhielt. Der Rebberg bekam durch dessen Leist eine
Wasserversorgungsanlage. Auch die Altstadt hat berechtigte Ansprüche, dass etwas getan wird.»[19]
Zur Förderung und Entwicklung der Altstadt wurde am Freitag, 30. April 1915, im Hotel zum weissen Kreuz von Grundeigentümern und Bewohnern der Altstadt, der
Altstadtleist gegründet. Zum 1. Präsidenten wurde Gerichtspräsident Eduard Amsler ernannt, der in dieser Funktion während 20 Jahren das Bild der Altstadt mitprägte. Vizepräsident wurde der
Metzgermeister Ernst Schneeberger, Sekretär-Kassier der Bieler Stadtschreiber und Notar Karl Suri. Der Mitgliederbeitrag betrug 3 Franken pro Jahr. Der Vorstand wurde beauftragt, über die
Abgrenzung des Leistgebietes zu beraten, ein Tätigkeitsprogramm auszuarbeiten und für die Aufnahme weiterer Interessenten zu sorgen.[1] Der Leist hatte
damals noch kein festes Vereinslokal. Im «Adressbuch von Biel und Umgebung» waren unter «Verein mit wirtschaftlichem Zweck» lediglich die Kontaktnamen der Vorstandsmitglieder des Altstadtleists
aufgeführt. Eduard Amslers Wunsch nach einem festen Domizil sollte sich erst viele Jahre später erfüllen. 1973 konnte der Leist an der Untergasse 38 ein Lokal mit Sitzungszimmer und Archiv
beziehen. 1985 wechselte der Leist an die Juravorstadt 6, 1991 an die Untergasse 19 und schliesslich 2002 an die Brunngasse 11.
Amslers erste Aufgabe war die Organisation des Leistes, dem 1915 bereits 140 Mitglieder angehörten. Das Tätigkeitsprogramm enthielt eine Reihe von Arbeiten, deren
Lösung und Umsetzung der Altstadt neues Leben einhauen sollte. Es umfasste die Verbesserung der allgemeinen Verkehrsverhältnisse (Strassenkorrektionen und
Beleuchtung), sowie die Erhaltung des Verkehrs und der historischen Gebäude (Alte Krone).[2] Am 29. Juni 1915 hielt der Altstadtleist seine erste
ordentliche Versammlung in der Bielstube ab, wo die bereinigten Statuten genehmigt wurden. Der Vorstand erweiterte sich durch die Kaufleute S. Hetz (Damenmode), Kürschner Ernst Hochuli-Jenny,
Weinhändler Oswald Probst-Ritter (von dem der Staat 1917 das Grundstück zum Technikums-Bau erworben hatte), Weinhändler Emil Walker, Schuhhändler Emil Schmid, Apotheker Robert Minder, Spezierer
Cäsar Zimmer (von 1937 bis 1939 Nachfolger von Amsler) und dem Bankbeamten Eduard Studer (später Kassierer). Der Architekt Emanuel Propper (1863-1933) freute sich über die Gründung des
Altstadtleistes und wies darauf hin, wie sehr bauliche Schönheiten geneigt sind, die wirtschaftlichen Bestrebungen der Altstadt zu fördern.[4]
Rettung der Alten Krone
1915 berief Eduard Amsler eine Versammlung im Hotel Bären ein: Die alte Krone, 1578 bis 1582 erbaut, drohte zu verfallen und müsse dringend von der Stadt erworben werden. Mit Hilfe des
Altstadtleistes bekräftigte er die Forderung der Vertreter des Historischen Vereins, des Kunstvereins, des Verkehrs- und Verschönerungsvereins und des Heimatschutzvereins. Die Bau- und die
Elektrizitätskommission sowie die Gemeindebehörde sprachen sich für den Erwerb der alten Krone aus. Nach einer Gebäuderennovation sollen dort die Verkaufsräume des städtischen Elektrizitätswerks
und die Büros der Verwaltung untergebracht werden.[5] Mit dem Kauf der Alten Krone durch die Stadt blieb das historische Gebäude der Nachwelt erhalten. 1916
konnte an der Alten Krone das alte Wirtshausschild wieder aufgehängt, eine Goethe-Gedenktafel angebracht und eine Uhr installiert werden. Das städtische Elektrizitätswerk blieb bis 1965 im
Gebäude.
Der Leist sorgte auch für eine Verbesserung der Beleuchtung: In der Untergasse am Haupteingang zur Stadtkirche, wurde eine elektrische Bogenlampe gesetzt. Allerdings
mussten sich Privatleute und der Leist selbst an den Erstellungskosten beteiligen. Auch die Beleuchtung des Rosiusplatzes und der Kanalgasse wurden durch den Leist verbessert.
Der Chlauser kehrt zurück
Erfolgreich waren auch die Bemühungen, den Chlausermarkt am 14. Dezember 1915 wieder in die Altstadt zurückzuholen.[3] Das Heim
des Chlausers war bereits im 19. Jahrhundert in der Burg. Der
Markt fiel jeweils auf den Tag des Nidaumarktes. Der Samichlaus kam daher nicht am 6. Dezember, sondern immer verspätet am darauffolgenden Dienstag in die Bieler Altstadt.[17] Wegen zu viel Radau wurde der Chlauser von den Behörden zwischenzeitlich abgeschafft. 1909 versuchte die sogenannten «Chlauserbewegung» vergeblich, mit einer
Unterschriftensammlung sein Dasein zu verlängern: «Ihr Stadtväter, liebi Herre, löt der Chlauser doch no do. Dä alt Gritti mit em Säckli söll doch wieder zu üs cho.» [18]. 1910 war der Chlauser
für Biel «tot und begraben», bis man sich entschloss, einen alten Brauch zu erhalten und den Chlauser am 10. Dezember 1912 versuchsweise auf dem Neumarktpatz wieder auferstehen zu lassen. Dank
dem Leist kehrte der Chlauser 1915 unter polizeilichen Vorsichtsmassnahmen in die Altstadt zurück und Eduard Amsler erkannte, dass bereits mit dem 1. Jahr der Altstadtleist seine
Existenzberechtigung bewiesen hatte.[3]
1920 beschloss der Leist, für die Juravorstadt bessere Strassenverhältnisse anzustreben und für einzelne Orte eine Ergänzung der Beleuchtung zu verlangen. Für die
Renovation des Kunsthauses wurden 200 Franken bewilligt.[6] 1923 hielt der Historiker Werner Bourquin einen Vortrag an der Altstadtleist-Generalversammlung
im Bären. Es wurde heftig darüber diskutiert, das Geschäftszentrum an der Kanalgasse nicht vom Verkehr abzuschneiden.[7]
Amsler beschloss Schritte zu unternehmen, damit die Fahrzeuge der Automobilgesellschaft Aarberg und Umgebung auch an der Mühlebrücke eine Haltestelle
einrichten.[8] 1925 setze sich der Leist für eine neue Autobuslinie zwischen Vingelz-Biel-Madretsch-Madretsch Friedhof ein. Auch Madretsch wollte eine
Personentransportverbindung ins Stadtzentrum.[9]
Das Ende der Altstadt-Postfilialen
Jahrelang diente der Altstadt die Hauptpost an der Seevorstadt Nr. 66 (heute Mühlebrücke 2), in der im Mai 1884 Biels erste Telefonzentrale eröffnet wurde und eine kleine Postfiliale an der
Juravorstadt. Von 1930 bis 1931 befasste sich Eduard Amsler mit der «Postfrage», da diese Filialen auf Beschluss des Gemeinderats schliessen sollten. Die Post argumentierte, dass die Nutzung der
beiden Filialen seit Eröffnung der Bahnhofspost im Juni 1930 stark zurückgegangen sei. Die Reorganisation des Postwesens berücksichtigte die Altstadt nicht mehr. Amsler forderte die
Altstadtbewohner dazu auf, an der Generalversammlung des Altstadtleistes teilzunehmen, um zu dieser Angelegenheit Stellung zu nehmen.[10] Ein Kampf gegen
Windmühlen, wenn man bedenkt, dass Stadtpräsident Guido Müller in der Stadtratssitzung vom 3. Juli 1930 betonte, «dass die Interessen der Stadt Biel gegenüber der Postverwaltung auf jedem Fall
durch den Gemeinderat verteidigt werde.» Eduard Amsler liess sich als Präsident des Altstadtleistes nicht entmutigen. Er setzte in zahlreichen Versammlungen und Einsprachen alles daran, die
Poststellen bei der Altstadt zu erhalten. Unterstützung erhielt er dabei vom «Grundbesitzerverein von Biel und Umgebung». Dieser verabschiedete an seiner Versammlung vom 21. Januar 1931 eine
Resolution, «weil die Aufhebung der beiden Poststellen, abgesehen von der Beeinträchtigung der lokalen Quartierinteressen, auch einen Schaden der allgemeinen Verkehrsinteressen unserer Stadt
bedeuten würde.»
Die Gemeinde empfahl aber ein vom Stadtbauamt seit Februar 1931 ausgearbeitetes Projekt für ein neues Post- und Bibliothekgebäude mit Platz für die Gewerbeschule, das sich am Neumarktplatz
(damals südlicher Viehmarktplatz) befinden wird. Diese Standortwahl hatte folgende Gründe: Der Walkeplatz kam nicht in Frage, da der Erwerb des dortigen Grundbesitzes die Gemeinde zu stark
belastet hätte. Eine weitere Möglichkeit war das alte Spritzenhaus an der Ecke Dufourstrasse/Neumarktstrasse, doch das Projekt scheiterte, weil sich der dort frei werdende Platz als zu klein
erwies. Auch der Neubau des Weissen Kreuzes an der Mühlebrücke kam nicht in Frage, weil dort das Verkehrsaufkommen zu hoch war und eine geeignete Zufahrt für die Postautos nicht möglich gewesen
wäre.[32]
Anfangs 1931 stellte der Gemeinderat im Hof des Dufourschulhauses für 15 Monate eine provisorische Postbaracke auf, mit denen sich Amsler nicht anfreunden konnte.[25] Die Post hatte die Mietverträge für die Filialen Seeland und Juravorstadt gekündigt, weil sie davon ausging, dass bis zum Ablauf der Verträge der Neubau
fertiggestellt sein würde. Die «obdachlose» Post erhielt eine Barackenfiliale mit 3 bis 5 Schaltern, einer Postfachanlage, Schreibpulten und einer Telefonkabine. Die Filiale wurde nachts
bewacht.[33]
Als der Rebbergleist im Juli 1931 seine Generalversammlung abhielt, war auch Eduard Amsler anwesend. Er und Stadtrat Schrämli referierten über die «Postfrage». Schrämli war sich sicher, dass der
Bevölkerung nichts anderes übrig bleibe, als dem Vorschlag des Gemeinderates zuzustimmen, da die Post nicht nachgeben werde. Amsler glaubte aber, dass die Sache sei bei der Bevölkerung noch nicht
hoffnungslos verloren sei, da die Möglichkeit bestand, dass das Postdepartement eingreift, wenn der Wille der Bieler eine ander Lösung suche.[31] Die Gegner
Eduard Amslers blieben nicht untätig und gründeten am November 1931 das Komitee «Für ein neues Stadtpost-, Bibliotheks- und Gewerbeschulgebäude auf dem Neumarktplatz». Zu den Vertretern gehörten
der Dufourleist, die Gewerbeschule, die Stadtbibliothek und die Post, die von Stadtrat Schrämli unterstützt wurden. Ein Pro-Altstadt-Aktionskomitee intervenierte und beschwerte sich im Bieler
Tagblatt vom 30. November 1931: «Die sämtlichen grösseren Aussenquartiere unserer Stadt, also Mett, Bözingen, Madretsch, Vingelz, besitzen ihre eigenen Poststellen. Im Stadtkern befinden sich
einzig die Hauptpost beim Bahnhof und die Postfiliale an der Dufourstrasse. Das ganze dazwischen liegende Gebiet, welches das eigentliche Verkehrszentrum der Stadt bildet bestehend aus der
Seevorstadt, dem Plänkequartier, der Zentralstrasse, der Nidaugasse, Kanalgasse, Marktgasse, dem Juraquartier, Bözingenstrasse, der eigentlichen Altstadt, der Schützengasse, dem grossen
Rebbergquartier etc. hat keine Poststelle.» Die Befürworten hielten dagegen: «Die Post wird geräumige, modern eingerichtete Lokale erhalten, versehen mit verschiedenen Telefonkabinen und wo auch
Telegramme befördert werden können. Die Stadtbibliothek kann aus ihren engen, dunklen und baufälligen Räumen im alten Rüschli ausziehen. Die Gewerbeschule erhält mehr Platz für ihren Unterricht.
Bei Zustimmung der Postfrage kann die Bretterpostbaracke im Dufourschulhaus wieder verschwinden.»[30]
Ende November 1931 betonte Amsler an der freisinnigen Parteiversammlung im Namen des Altstadtleistes, das Projekt der Gemeinde abzulehnen. Dieser Meinung schloss
sich alt Nationalrat Moll als Sprecher vom «Aktionskomitee gegen Schaffung einer Stadtpost am vorgesehen Platz» an.
In der Abstimmung «Postvorlage» vom 5./6. Dezember 1931 stimmten die Bieler mit 4000 gegen 3368 Stimmen für einen Standortwechsel. Die Schweizerische Oberpostdirektion antwortete Eduard Amsler am
12. 12. 1931: «Die beiden nur 450 m voneinander entfernten Filialen See- und Juravorstadt mussten nach der Eröffnung der neuen Hauptpost am Bahnhof einer einzigen, möglichst zentralen Stelle
weichen. Dadurch können die Verwaltungskosten gesenkt werden.» Am 27. Februar 1933 konnte am Neumarkt das neue Postgebäude in Verbindung mit der Stadtbibliothek dem Betrieb übergeben
werden.
Kein Geld fürs Abtenhaus
Durch das regelmässige Abhalten vom Markt, benötigte die Altstadt Stallungen. Eduard Amsler empfahl 1933 das Abtenhaus als Ersatz für die eingehenden Stallungen vom Hotel Weissen Kreuz. Die
Liegenschaft könnte im Obergeschoss auch für Einquartierungen und andere Unterkunftszwecke eingerichtet werden. Das Angebot der Firma Probst & Cie, die Liegenschaft durch den Altstadtleist
für Fr. 85‘000.- zu erwerben, lehnte er ab. Stattdessen unterstützte der Altstadtleist den Gemeinderat bei der Prüfung, die Liegenschaft zu kaufen.[27]
Daraufhin schlug die städtische Liegenschaftskommission vor, «dass der Kaufpreis wesentlich reduziert werden muss und dass bei der Finanzierung nicht nur die Gemeinde, sondern auch der
Altstadtleist und besonders die direkt interessierten Anstösser sich beteiligen müssen.» [28] Schliesslich lehnte die Liegenschaftskommission den Kauf wegen des überhöhten Abtretungspreises ab.
Das Haus selbst war durch die vielen Ein- und Umbauten der früheren Brauerei in seinem historischen Charakter stark verändert. Der Gemeinde fehlten aufgrund der herrschenden Arbeitslosigkeit die
finanziellen Mittel, das Gebäude zu erwerben und zu restaurieren.[29]
Zusammenarbeit mit der Bieler Leist-Vereinigung
Seit 1933 nahm der Altstadtleist regelmässig an den Versammlungen der Leist-Vereinigung Biel teil, wo sich die Präsidenten trafen, um gemeinsam Beschlüsse zu fassen. Am 1. Februar 1934 kam das
Projekt einer Markthalle zu Sprache. Eduard Amsler war der Meinung, dass die Altstadt bereits über einen Markt verfüge, dessen Marktverhältnisse genügten, und dass er auf keinen Fall den Bau
einer Markthalle zustimmen könne. Das Projekt wurde nicht realisiert. In der gleichen Sitzung wünschte sich Amsler die Durchführung eines historischen Umzuges der Faschingszunft unter Beteiligung
der verschiedenen Leiste. (30) Eine Zusammenarbeit fand beim Jodler- und Alphornfest statt. 1937 beteiligten sich die Bieler Leiste finanziell an der Verdunkelungsausstellung des
Luftschutzvereins Biel. Die offizielle Eröffnung fand am 11. März 1937 im alten Rüschli statt.[31] Sie wurde rege besucht und erfüllte den von den Initianten
beabsichtigten Zweck, die Bevölkerung durch zweckdienliche Beispiele aufzuklären, da mit dem 1. April 1937 die Verdunkelungsmassnahmen auch in Biel durchgeführt sein mussten.[34]
Ein fragwürdiges Bauprojekt
1934 wurde die Altstadt durch ein grosses Bauprojekt bedroht. Auf der Nordseite der Obergasse, in der Nähe der Station der Leubringenbahn, beschloss eine Firma, anstelle der dortigen Gärten zwei
17 Meter hohe Wohn- und Geschäftshäuser zu errichten. Damit würde die Sicht auf einen wichtigen Teil der Altstadt vollständig verdeckt. Der Leist erhob Einsprache.[11]
Die Bieler Woche (BIWO) 1935/36
Eine Wirtschaftskrise traf die Industriestadt Biel besonders hart und führte zu grosser Arbeitslosigkeit. Im Glauben an eine bessere
Zukunft entstand 1932 die Genossenschaft «Bieler Woche». Zusammen mit der Bieler Bevölkerung wollte sie 1935 die schwierige Zeit mit einer aufwändigen Altstadtsanierung aus eigener Kraft
überwinden. Diese Selbsthilfeaktion schuf Arbeitsplätze vor allem im Kleingewerbe und verschönerte die Altstadt. Das war auch bitter nötig. Die Altstadt war in einen bedenklichen Zustand der
Vernachlässigung geraten, ihre Fassaden fristeten ein Dasein in tristem Grau, verkrustet von Ölfarben. Vom schönen Haustein aus Jurakalk war nicht mehr viel zu sehen. Der Unterputz wies grosse
Risse auf. Zusätzlich wurden die Baudenkmäler durch das Anbringen von Werbetafeln aus Blech entwertet. Die zündende Idee für ein «altes Biel in neuem Gewand» hatte der Architekt und
Technikumsleiter Hans Schöchlin, Ehrenmitglied des Altstadtleistes. Zusammen mit BIWO-Präsident Nicolet wurde sie in zwei Etappen von 1935 bis 1936 nach einheitlichen Gesichtspunkten
umgesetzt.
Für die Gestaltung wurden die sonnenzugänglichen Orte mit «warmer» Farbe (sie absorbieren das Licht) und die schmalen Altstadtgassen mit «kalten» Farben (reflektieren das Licht) behandelt.
Stadtarchivar Werner Bourquin wusste, dass die Altstadt ursprünglich ein farbiges Erscheinungsbild hatte und wünschte sich dieses zurück. Er unterstützte das Projekt in historischen Fragen. Am
16. April 1935 wurden die Architekten Alfred Leuenberger und Eduard Lanz (ab 1939 dritter Altstadtleist-Präsident) mit der 1. Etappe der Renovationsarbeiten in der Altstadt betraut. Leuenberger
betreut die Burg, Rathausgässli, Untergässli und Obergässli. Lanz Untergasse, Kirchgässli und Ring.[20]
Die Altstadtsanierung durch die BIWO entstand mit finanzieller Unterstützung der Gemeinde, des Kantons, des Bundes und der Solidarität der beteiligten
Hauseigentümer, die 50 Prozent der Kosten übernehmen sollten. Diese mussten aber erst für das Projekt gewonnen werden, und hier kamen Eduard Amsler und der Altstadtleist ins Spiel. Am 17. April
1935 ermächtige das BIWO-Zentralkomitee den Leist-Präsidenten, «die Hauseigentümer davon in Kenntnis zu setzen, dass die beiden Architekten Leuenberger und Lanz in nächster Zeit im Auftrag der
BIWO bei ihnen vorstellig werden.» Von diesem Tag an war Eduard Amsler bis 1936 das Bindeglied zwischen der BIWO und den Hauseigentümern. Amsler berief als erstes in der Bielstube eine
Versammlung ein, an der Hans Schöchlin die Haubesitzer über das Projekt informierte. Zur Förderung des Altstadtbildes erklärten sich die Hauseigentümer zu folgenden Massnahmen
bereit:
1) An ihrem Haus keine Form- und Farbänderung vornehmen zu lassen, ohne diese einer vom Gemeinderat der Stadt Biel zu ernennenden Kommission vorzulegen. Diese
Kommission besteht aus 5 Sachverständigen, nämlich dem städtischen Baudirektor, einem Architekten, einem Baumeister, einem Malermeister und einem vom Altstadtleist zu bezeichnenden
Sachverständigen.
2) An ihrem Haus keine Haussteine mit Ölfarbe oder irgendeinem anderen Material überstreichen zu lassen.
3) Keine das Stadtbild störende Aushängeschilder, Firmentafeln, Leuchtreklamen und Reklamegegenstände anbringen zu lassen.
Obergässli
Ring
Untergasse
An der Vorstandssitzung vom 11. September 1935 beschloss der Architekt Hans Schoechlin, für die Renovationsarbeiten auf Lichtreklamen zu verzichten. Dabei
wurde er von einem Hauseigentümer darauf aufmerksam gemacht, dass er Lichtreklame benutze, weil die öffentliche Beleuchtung ungenügend sei. Mehrere Anwesende pflichteten ihm bei. Als der Leist im
Weissen Kreuz wegen der Altstadtsanierung eine weitere Versammlung abhielt, freute sich Amsler, dass sich bis auf zwei Hausbesitzer alle bereit erklärten, ihre Fassaden neu zu
gestalten.[12] Mit den gesammelten 700‘000 Franken konnten die Arbeiten beginnen. Innerhalb von 7 Wochen konnten die Fassaden erneuert werden und einige
Häuser erhielten einen Innenausbau. Die Entfernung der Ölfarbe erfolgte durch Steinhauer. Die vorhandenen Werbetafeln wurden entfernt und durch originelle, handgeschmiedete Aushängeschilder mit
dem Symbol des jeweiligen Geschäftes ersetzt. Sie wurden in der Kunstgewerbeschule des Kantonalen Technikums nach folgenden Leitgedanken entworfen:
1) Blickrichtung und Architekturbild dürfen nicht durch grosse Flächen oder grelle Farben unterbrochen oder gestört werden.
2) Solide, dem Baustil angepasste handwerkliche Arbeit.
3) Einprägsame, originelle und weithin sichtbare Firmenzeichen, die ohne Inschrift für jedermann leicht verständlich sind, jedoch die Möglichkeit bieten, den Namen des Geschäftsinhabers diskret
anzubringen.[21]
Weitere schmiedeeiserne Aushängeschilder wurden aus dem Museum Schwab geholt und den Hausbesitzern mit der schriftlichen Verpflichtung zur Verfügung gestellt, sie nicht zu veräussern und für
ihren Unterhalt zu sorgen. Zur Beleuchtung wurden handgeschmiedete Laternen aufgestellt. Die Altstadtbrunnen wurden vollständig restauriert und farbig gefasst. Die Rumpelkammer der städtischen
Feuerwehr konnte zu einem geräumigen Theater-Foyer umgebaut werden.[20]
Die Bieler Altstadt wurde 1935/36 durch einheitliche Aushängeschilder verschönert.
Nach 12 Wochen Arbeit war die erste Etappe abgeschlossen. Für die Bau- und Fassadenarbeiten wurden insgesamt 110‘000 Franken aufgewendet. Zum Abschluss wurde ein dreitägiges Fest gefeiert. Von bleibendem Wert waren die erstmals durchgeführte Altstadtchilbi und das von Ernst Flückiger inszenierte Freilichtspiel «Der Bieler-Ring». Die BIWO führte 1936 den zweiten Teil der Altstadtsanierung durch, indem sie die Ober- und Untergasse erneuerte. Amsler beantragte erfolgreich eine einheitliche und bessere Beleuchtung des Durchgangs unter den Arkaden auf der Südseite der Obergasse. Die EWB (heute ESB) montierte im Auftrag der Stadt zwei Deckenlampen mit Schutzgitter. Im gleichen Jahr reichte Amsler eine neue Motion zu einer vertieften Sanierung der Altstadt ein, die kurz drauf in einem umfangreichen Bericht ausgearbeitet wurde. Im Vordergrund stand der Gedanke, gesundheitsschädliche Wohnungen zu beseitigen oder zu verbessern. Am 19. März stimmte der Stadtrat der Motion zu.[14] 1937 stellte die BIWO ihre Tätigkeiten ein.
Altstadtchilbi
Chronist Türler hielt fest, dass
bereits 1546 eine Altstadtchilbi durchgeführt wurde. Dieses Volksfest war damals der grösste Anlass in Biel, an dem nicht nur die gesamte einheimische Bevölkerung, sondern auch viel Volk aus der
Umgebung teilnahm. Dass man sich schon damals zu amüsieren wusste, geht aus alten Chroniken hervor, die von einem Umzug, verschiedenen Spielen und Tanz berichten. Ausserdem wurde ein
Armbrustschiessen durchgeführt, bei dem die besten Schützen belohnt wurden.»[13] Aufgrund der BIWO führte der Altstadtleist am 4. September 1935 die
Altstadtchilbi wieder ein. Das Fest hatte einen volkstümlichen Charakter, da alle Teilnehmer in Zunft- und Trachtenkleidern auftraten.
Eduard Amsler: «Die Geschäftsleute der Altstadt wünschten eine Chilbi, da sie sonst keine Gelegenheit hatten, etwas zu veranstalten. Cäsar Zimmer erklärte sich bereit, dieses Altstadtfest zu
organisieren. Ich habe den Gewerbetreibenden vorgeschlagen, ihre Waren 14 Tage vor Beginn der BIWO mit einer Biworeklame zu verkaufen. Das Volksfest bietet allerlei Überraschungen: Von 6 bis 7
Uhr spielen die Kinderharmonikavereine. Von 7 bis 8 Uhr erfüllt der Trommelwirbel eines in alter Tracht martialisch marschierenden Trommelkorps die Gassen. Von 8 bis 9 Uhr konzentrieren sich die
Handharmonikavereine im Ring und auf der Burg und wetteifern mit den Darbietungen drei Jodlergruppen. Auch sie treten in originellen Trachten auf. Punkt 9 Uhr kündigt Kanonendonner auf dem
Zeitglockenturm ein grosses Feuerwerk an, das von 8 Heroldstrompetern eingeleitet wird. Anschliessend findet ein bunter Markt statt. Alle Verkäuferinnen sind in farbenfrohe Trachten gekleidet. Am
Volksball auf der Burgbühne können die fröhlichen Bieler für ein paar Stunden die Sorgen des Alltags vergessen. Die Teilnahme an der Altstadtchilbi ist auch eine Sympathiebeweis der BIWO
1935.»[20]
Der Leist leitete 1936 die Altstadtchilbi mit einem originellen Trachtenmarkt ein. Alle die ihre Produkte auf den Markt brachten, wurden eingeladen, in Tracht zu erscheinen. Die Altstadt sammelte
Gaben, die kostenlos an die in Tracht erschienen Marktleute verteilt wurden. Ein Blumenmarkt und ein Fackelzug erfreuten die Besucher. [15] Besonders beliebt war der Kinderumzug, an dem rund 3500
Kinder teilnahmen. Er bot mit seinen originellen Kostümen und Gruppen ein buntes und schönes Bild. Die originellsten Kostüme wurden mit schönen Bändern prämiert und alle Teilnehmer/innen
erhielten vom Altstadtleist ein Naschpaket mit Zvieri.[16]
«Juchhei! Die Altstadt ist erwacht
aus langem Schlaf. In lichter Pracht
steht in den Strassen Haus an Haus
und schaut nach neuem Leben aus.
Zur Altstadt-Chilbi lädt sie euch,
die Bieler Altstadt, die so reich
in Blumenschmuck man sehen mag,
als wie die Braut am Hochzeitstag.
So kommt denn, kommt in schnellen Lauf
zu uns in Ring und Burg herauf,
wo ihr ein lustiges Leben sieht,
wo klingt ein frohes Jodellied.
Wo man sein Mädel schwingt im Tanz,
wo jedes Haus trägt einen Kranz,
und wo man geht türaus, türein
vom See zu trinken guten Wein.
Und diesen Wein kredenzt beim Eid
gar manche schöne Altstadt-Maid,
in schmucker, saubrer Landestracht,
dass euch das Herz im Leibe lacht.
Juchhei drum, auf zur Altstadt hin.
Juchhei, sie lädt mit heiterem Sinn.
Zu ihrer Chilbi heut euch ein
um lustig, froh und jung zu sein!»
Zum Gedenken an Eduard Amsler
Während 26 Jahren gehörte Eduard Amsler dem Burgergemeinderat an, der ihn 1936 zum Ratspräsidenten wählte. Als Mitglied des Verwaltungsrates unterstütze er die Bielersee-Dampfschifffahrtsgesellschaft. [2] Er starb am 26. 8. 1937 im Alter von 56 Jahren während seiner Ferien in Degersheim. Am 24. September 1937 fand im Ring eine Gedenkfeier für ihn statt. Bei diesem Anlass wurde am Eckpfeiler des Hauses Ring 11 eine bronzene Gedenktafel enthüllt. Initianten waren Historiker Werner Bourquin (1891-1979), Verleger und Buchdrucker Charles Gassmann (1879-1954), «Chuttervater» Hermann Kessi (1890-1973), Rechtsanwalt Alfred Moll (1869-1949)., Technikumsdirektor Hans Schoechlin (1893-1978) und Kaufmann Caesar Zimmer (1872-1952).
Fürsprech
EDUARD
AMSLER
1882–1937.
DEM TREUEN FREUNDE
UND VERDIENSTVOLLEN
FÖRDERER DER BIELER
ALTSTADT.
Aufschrift der Gedenktafel
Philipp Wilhelm K
Aktualisiert 3. 3. 2024, L
Quellen/Sources: 1) Bieler Tagblatt (BT), Biel, 1. 5. 1915, S. 2; - 2) d., «Eduard Amsler» in BT, Biel, 27. 8. 1937, S. 3, - 3) BT, Biel, 22. 3.
1916, S. 2; - 4) BT, Biel, 30. 6. 1915, S. 2: - 5) «Die Alte Krone in Biel» in BT, Biel, 28. 5. 1915, S. 2; - 6) BT, Biel, 22. 3. 1920, S. 3; - 7) BT, 6. 6. 1923, S.3; - 8) BT, Biel, 12. 6. 1923,
S. 3; 9) BT, 17. 2. 1925, S. 4; - 10) BT, Biel, 12. 12. 1930, S. 2; - 11) P. A., Der Bund, Bern, 23. 7. 1934, S. 7; - 12) Werner Bourquin, «Der Altstadtleist bespricht die BIWO» in BT, Biel, 22.
7. 1935, S. 1; - 13) «Ein alter Bieler Brauch» in Bieler Tagblatt, Biel, 19. 8. 1949, S. 2f; - 14) Der Bund, Bern, 23. 3. 1936, S. 3; - 15) BT, Biel, 31. 8. 1936, S. 3; 16) BT, Biel, 7. 9. 1936,
S. 4; - 17) BT, Biel, 3. 12. 1915, S. 4; - 18) BT, Biel, 10. 12. 1909, S. 4; - 20) Jakob Wyss, Dokument, Archiv Altstadtleist, Biel, 22. 5. 1915; - 21) Hans Schöchlin, «Angewandtes Kunstgewerbe»
in Jahresbericht vom Kantonalen Technikum, Biel, 1936/37, S. 36; - 22) BT, Biel, 3. 9. 1993, S. 11; - 23) «Rebbergquartierleist» in Bieler Tagblatt, 19. 5. 1914, S. 3 - 24) BT, Biel, 4. 6. 1913,
S. 3; - 25) EPFL 0004.01.0018, Postbaracke im Dufourschulhaus, Brief der Direktion der Bauten & industriellen Betriebe der Stadt Biel, 6. 1. 1931
; - 26) EPFL 0004.01.0018, Offener Brief an den Grossen Stadtrat der Gemeinde Biel; - 27) EPFL 0004.01.0018, Brief an den Gemeinderat, Biel, 31. 5. 1933; - 28) EPFL 0004.01.0018, Brief der
städtischen Finanzdirektion, Biel, 1. 6. 1933; - 29) EPFL 0004.01.0018, Brief der städtischen Finanzkommission, Biel, 29. 6. 1934; - 30) EPFL 0004.01.0018, Präsidentenkonferenz, Biel, 1. 2. 1934;
- 31) EPFL 0004.01.0018, Verdunkelungsausstellung, Biel, 10. 3. 1937; - 30) «Die Postfrage» in Bieler Tagblatt, Biel, 1. 12. 1931, S. 3: - 31) «Rebbergleist Biel» in Bieler Tagblatt, Biel, 16. 7.
1931, S. 2; - 32) Botschaft des Stadtrats zur Postfrage in Bieler Tagblatt, Biel, 4. 12. 1931, S.2: - 33) «Die neue Postfiliale Neumarkt» in Bieler Tagblatt, Biel, 13. 1. 1931, S. 3; - 34)
«Verdunkelungsausstellung im alten Rüschli» in Bieler Tagblatt, Biel, 27. 3. 1937
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